Im Blickpunkt

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US-Wahl im November: Sitzt bald ein „Kompromisspräsident“ im Oval Office?

Spätestens mit dem Attentat auf Donald Trump rückt die US-Präsidentschafts­wahl immer mehr in den Fokus. In unserem Hauptszenario „Kom­promiss-präsident“ wird die Politik des künftigen Präsidenten – egal ob Donald Trump, Joe Biden oder ein anderer Kandidat der Demokraten, der Bidens Politik weit­gehend fortführt – durch knappe Mehrheitsverhältnisse und viel Streit in den beiden Kongress­kammern ausgebremst. Unser Alternativ­szenario wird auf Seite 11 beleuchtet.

 

 

 



Wird ein Kompromisspräsident im November ins Oval Office gewählt?


„Make America Great Again“ oder „Bidenomics“: Auf den ersten Blick sind die Wahlprogramme der beiden Kandidaten sehr verschieden. Joe Biden will mit hohen staatlichen Ausgaben, etwa für Gesundheit und Soziales, die Mittel­schicht stärken. Mit Subventionen für grüne Technologien soll der Kampf gegen den Klimawandel gelingen und gleichzeitig der Investitionsstandort USA ge­stärkt werden. Die Kosten für solche Ausgaben sollen Besserverdienende und Großkonzerne über Steuererhöhungen tragen.

Biden will die Ökonomie mit Subventionen und staatlichen
Ausgabenprogrammen beleben

Ganz anders liegen die Schwerpunkte bei Donald Trump: Drastische Zollerhöh­un­gen sollen dazu genutzt werden, das Handelsbilanzdefizit zu schmälern. Gleichzeitig will Trump aber auch die Steuern deutlich senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. Außerdem will er die Migrationszuflüsse in die USA erheblich reduzieren. Letztlich könnte es aber nach der Wahl gar nicht so einen großen Unterschied machen, wer von den beiden – oder ein lachender Dritter, der kurzfristig als Ersatzkandidat für Biden ins Rennen geht – im Oval Office sitzt:

Trump setzt seine wirtschafts­politischen Schwerpunkte anders als Biden

Erstens haben sich Joe Biden und Donald Trump in mancher Hinsicht etwas angenähert. Joe Biden steht längst nicht mehr für freien Handel, sondern vertritt insbesondere gegenüber China ebenfalls eine harte Haltung. Die von Donald Trump verhängten Strafzölle gegen China hat er weitestgehend beibe­halten und sogar neue Zölle, zum Beispiel auf E-Autos aus China, verhängt oder Export­restrikti­onen verschärft. Und auch beim Thema illegale Migration ist Biden zu einer strengeren Haltung übergegangen. Trump wiederum ist bekannt dafür, zunächst lautstarke Drohungen auszusprechen, mit denen er aber eigentlich Zugeständnisse erzwingen will. Mit dieser Politik zielt er darauf ab, etwa bei Handelsabkommen bessere Konditionen für die USA zu erreichen. Einmal mehr dürfte sich Trump nach der Wahl als „Dealmaker“ erweisen, der extreme poli­tische Vorhaben schnell über Bord wirft, wenn er dafür Erfolge (zum Beispiel Zu­sage von Handelspartnern, US-Produkte zu kaufen) vor­weisen kann. Neue Zölle dürfte es nur punktuell und vor allem gegenüber China geben.

Annäherung beider Kandidaten in mancher Hinsicht




Zweitens – und das ist der wichtigere Punkt – könnten nach der Wahl weniger das Parteibuch des Präsidenten, sondern vielmehr die Mehrheitsverhältnisse im Kongress entscheidend sein. Die Umfragen zur Kongresswahl fallen derzeit sehr knapp aus, insbesondere für das Repräsentantenhaus. Im Senat könnten die Republikaner nach aktuellen Umfragen eine knappe Mehrheit erreichen. Sie sind hier im Vorteil, weil die Demokraten mehr Sitze verteidigen müssen. Die Senatoren sind jedoch nicht parteigebunden, das heißt gemäßigte republi­kanische Senatoren besitzen individuelle Entscheidungsfreiheit und können von der Parteimeinung abweichen. Ob es nun nach der Wahl einen gespaltenen Kongress oder jeweils leichte Mehrheiten für die Partei des Präsidenten gibt, gilt: Sehr wahrscheinlich werden die Mehrheiten in den Kongresskammern so knapp sein, dass es für extreme politische Maßnahmen keinen Raum gibt.

Mehrheitsverhältnisse im Kongress könnten künftigen Präsidenten zu Kompromissen veranlassen